Die Komplexität unserer Welt nimmt aufgrund der digitalen Transformation immer weiter zu und erfordert ein Umdenken auf allen Ebenen. Gänzlich neue und offene Arbeitsstrukturen sind gefragt, bei denen Menschen als intrinsisch motivierte Wesen und individuelle Potentialträger betrachtet werden, die selbst entscheiden, wann, wie und wo sie arbeiten, um nicht zuletzt auch eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen. In der Arbeitswelt werden solche Modelle längst umgesetzt und immer öfters gelebt. Es sind zunehmend Menschen gefragt, die mit solch einer komplexen und flexiblen Lebens- und Arbeitsgestaltung selbstbestimmt und selbstverantwortlich umgehen können.
Die fortschreitende Globalisierung, daraus resultierende Migrationsbewegungen und der Einflussgewinn von großen Schwellenländern, zu denen auch lateinamerikanische Länder wie Brasilien und Mexiko gehören, konfrontieren unsere Gesellschaft mit neuen kulturellen, sprachlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen. Mit einer fortschreitenden Globalisierung werden traditionelle Restriktionen und Normen überwunden, so dass sich die Werte und die Gestaltung von zwischenmenschliche Beziehungen verändern. Ein verändertes Werteverständnis der Generationen stellt neue Anforderungen an unsere Gesellschaft und Wirtschaftswelt, die interkulturelle Sensibilität und Fähigkeit zur zwischenmenschlichen Empathie und Rücksichtnahme erfordern.
Wir leben zunehmend in einer Wissensgesellschaft, in der dank „Open Sources“ globalisierte Bildungsangebote sowie neue individualisierte Konzepte für eine eigenverantwortliche Wissenserschließung und für lebenslanges Lernen entstehen. Leben, Lernen und Arbeiten wird zunehmend als fließender Prozess verstanden und das Leben in Dekaden geplant. Dies erfordert die Bereitschaft zur Veränderung und sich aus eigenem Antrieb immer wieder neues Wissen anzueignen.
Die Entwicklung unserer Gesellschaft in der globalen Gemeinschaft hängt stark davon ab, wie unsere Gesellschaft mit diesen Herausforderungen umgeht. Ein erfolgreicher Umgang erfordert neue Fähigkeiten bzw. neue Kombinationen von Fähigkeiten, die sowohl die Gesellschaft als Ganzes, als auch das Individuum betreffen.[1] Die gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft können auf demokratische Weise nur von Menschen begegnet werden, die Eigenverantwortung, Interkulturalität und Demokratie leben können.[2] Forschungsergebnisse aus der aktuellen Hirn- und Lernforschung sprechen aus den genannten Gründen für die Weiterentwicklung der Lern- und Arbeitsformen im 21. Jahrhundert und für eine höhere Partizipation im Schul- und Arbeitsalltag. Es wäre anmassend zu meinen, dass wir mit unseren Lösungen von gestern, unseren Kindern eine Antwort für die Herausforderungen von morgen bieten können.
Kinder brauchen eine ihrer Entwicklung entsprechende vorbereitete Umgebung, das Recht zur Mitbestimmung und Mitgestaltung sowie verlässliche, empathische und zugewandte Beziehungen, den dialogischen Austausch und einen gleichwürdigen sowie respektvollen Umgang, bei dem ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden. Sie brauchen auf ihrem Weg des selbstbestimmten Lernens vor allem authentische Erwachsene, die ihnen auf der Beziehungsebene authentische Rückmeldung geben – keine subjektive (Be)Wertungen.
Um den kindlichen Bedürfnissen beim Lernen gerecht zu werden und solch eine individualisierte, zugewandte und bedürfnisorientierte Lernbegleitung zu ermöglichen, haben wir uns von Madrina Sophia e. V. dazu entschieden, Schulen zu gründen, die auf ein individuelles, selbstbestimmtes und somit kindorientiertes Lernen sowie auf kleine Gruppen setzen. All dies soll in einem interkulturellen Begegnungsraum und in einer vorbereiteten Umgebung stattfinden. Die Lernende können dabei auf vielfältige Lernmethoden zurückgreifen.
„Eine vorbereitete Umgebung ist für das gesunde Wachstum von Kindern existenziell, denn erst dann können Kinder sich innerhalb eines geschützten Rahmens selbstbestimmt entwickeln und ihre Potentiale entfalten. Es ist die „Aufgabe des Erwachsenen, dafür zu sorgen, daß [sich] die Umgebung frei von aktiven Gefahren, von spannungserzeugenden Erwartungen und Forderungen ist und genügend natürliche und kulturelle Elemente enthält, damit die Wachstumsbedürfnisse der Kinder erfüllt werden.“[3]
Eine altersübergreifende Gemeinschaftsschule kann (!) hervorragende Rahmenbedingungen für ein interkulturelles, mehrsprachiges, partizipatives, selbstbestimmtes, vernetztes, fächerübergreifendes und bedürfnisorientiertes Lernen ab der ersten Klasse bieten.
Die APEGO-Schule Berlin ist unsere erste Schulgründungsinitiative und soll ihren Schülern ermöglichen, ihre individuellen Potentiale zu entfalten und die notwendigen Fähigkeiten auszubilden – wie demokratisches und globales Denken, Selbststeuerung, Flexibilität, Mehrsprachigkeit, interkulturelle Sensibilität, soziale Verantwortung, und Kreativität – um mit den Herausforderungen einer immer komplexer werdenden, digitalisierten, wissensorientierten und globalisierten Welt zurecht zu kommen.
Aida für Madrina Sophia e.V.
(aus dem Konzept der APEGO-Schule Berlin)
[1] http://www.zukunftsstark.org/megatrends/ (Stand: 08.10.2016)
[2] BFAS: Wuppertaler Thesen: Ziele und Prinzipien Freier Alternativschulen, 1986.
[3] Wild, Rebeca: Kinder im Pesta. Erfahrungen auf dem Weg zu einer vorbereiteten Umgebung für Kinder, in: arbor, 1993, S. 77.
Foto: petunyia, bei Fotoli.